Gedanken des Jagdinspektors
Münsingen, im Mai 2012 / Peter Juesy, Jagdinspektor
Der Verein Schütz das Kiental feiert sein 30-jähriges Bestehen. Zu diesem Jubiläum gratuliere ich dem Verein im Namen des Jagdinspektorats und der Wildhüter ganz herzlich. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Rehe, Rothirsche, Gämsen und Steinböcke stark bedroht oder gar ausgestorben. Die Gründe waren der hohe Jagddruck, bürgerkriegsähnliche Wirren, die Wilderei und die Entwaldung der Alpen und Voralpen. 1875 wurde das erste Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz erlassen - also ein Jahr nach der Gründung des Bundesstaates mit der Bundesverfassung. Den damaligen Gesetzgebern war es wichtig, die "Hochwildbestände" wieder anzuheben - und zwar mit der Neuschaffung von eidgenössischen Jagdbanngebieten. Parallel dazu wurde die Wildhut verstärkt, um die Wilderei einzudämmen. Es gab jedoch vorher schon eidgenössische Jagdbanngebiete. Das älteste eidgenössische Jagdbanngebiet in der Schweiz Kärpf im Kanton Schwyz wurde im 15. Jahrhundert gegründet. Das eidgenössische Jagdbanngebiet Kiental wurde 1891 gegründet - 1991 feierte das Jagdbanngebiet das 100-jährige Jubiläum. Zur Erinnerung steht im Kiental ein markanter Naturstein mit einem Brunnen.
Der Stein soll als Mahnmal stehen, dass dieser Bannbezirk in seiner Schönheit und Natürlichkeit noch lange erhalten bleiben soll. Die Gründungsmitglieder des Vereins Schützt das Kiental - David Beetschen, Fritz Beetschen, Gottfried Schranz, Ruedi von Känel, Bernhard Mani und Alt-Nationalrat Fritz Hari - haben 1982, nach einem Vorstoss des Jagdkreisverbandes Mittelland zur Jagderöffnung des eidgenössischen Jagdbanngebietes Kiental, diesen Verein ins Leben gerufen. Die vier weisen Männer verlangten u.a. mehrmals das Gespräch mit dem damaligen Forstdirektor, Regierungsrat Peter Siegenthaler.
Ich zitiere aus einem Brief vom 29.11.1993 an den Regierungsrat:
"Sehr geehrter Herr Regierungsrat, wir versichern Ihnen unsere Entschlossenheit einer schleichenden Aushöhlung des Bann-Gedankens, als Verschonung von der Jagd, nicht tatenlos zuzuschauen. Der Kientaler-Bann muss bleiben, was er war. Wir suchen weiter das Gespräch mit Ihnen, bereiten uns aber gleichzeitig auch darauf vor, sofort juristisch sowie politisch-publizistisch zu intervenieren, wenn hier dem Willen des Gesetzgebers nicht Genüge getan wird."
Heute lässt sich sehr gut beurteilen, welche Rolle den eidgenössischen Jagdbanngebieten zukam und weiterhin zukommt. Die Entwicklung der Wildbestände war sehr erfolgreich. Die Bestände haben sich so gut erholt, dass heute in vielen Kantonen das Wild Schäden an Schutzwald und landwirtschaftlichen Kulturen verursacht. In vielen Patentkantonen lebt die Jagd geradezu von den Banngebieten, weil Rehe, Gämsen und Hirsche in das Jagdgebiet abwandern. Unsere Umwelt hat sich im Verlauf des letzten Jahrhunderts radikal verändert. Meliorationen, Einsatz von Pestiziden, Düngemittel und Maschinen haben vielerorts dazu geführt, dass Tierarten, die früher verbreitet und häufig vorkamen, heute fast gänzlich verschwunden sind. Viele artenreiche Lebensräume wie feuchte und trockene Wiesen, Hecken, Moore, Sümpfe usw. sind verschwunden. Autobahnen und Strassen durchqueren die Einstandsgebiete des Wildes, behindern dessen Wanderungen und damit die Ausbreitung einzelner Arten. Dem Verkehr fallen jährlich viele Tiere zum Opfer. Der Mensch hat die Natur wieder entdeckt aber dank mehr Freizeit steigt der Erholungsdruck in bislang wenig berührten Gebieten. Vor diesem Hintergrund haben die eidgenössischen Jagdbanngebiete heute eine neue, sehr wichtige Funktion übernommen. Sie dienen dem Schutz und der Erhaltung von seltenen und bedrohten wildlebenden Säugetieren und Vögeln ihrer Lebensräume, sowie der Erhaltung von gesunden, den örtlichen Verhältnissen angepassten Beständen jagdbarer Arten. Oberste Priorität haben der Schutz der Lebensräume und die Vermeidung von Störungen der Wildtiere. Die wildlebenden Säugetiere und Vögel haben in diesen Gebieten Vorrang! Ich danke an dieser Stelle dem Verein Schützt das Kiental für den unermüdlichen Einsatz und Kampf für den Erhalt und das Weiterbestehen der naturnahen Schönheit dieses wunderschönen Tales. Ich wünsche ihm für die Zukunft viel Durchhaltewillen und Erfolg. Bei allen Überlegungen und Aktivitäten soll unser Wild im Vordergrund stehen.
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